Der etwas andere Weihnachtsbaum
Hiddenseer Bügelbaum
Zur Advents- und Weihnachtszeit ist in der Diele des Museumshauses Mönchstraße 38 in Stralsund ein Hiddenseer Bügelbaum aus dem Jahr 1920 zu sehen. Das gut 40 Zentimeter hohe Exemplar aus der Sammlung des STRALSUND MUSEUM wurde vor mehr als 100 Jahren vom Leuchtturmwärter Wenzlaff in Kloster auf Hiddensee angefertigt und ist der Hingucker in der neu gestalteten Adventsvitrine.
Der mit Kerzen geschmückte Weihnachtsbaum hielt im Biedermeier des 19. Jahrhunderts Einzug in die Festtagswohnzimmer der Wohlhabenden und verbreite sich als Brauch in der ganzen Welt. Die immergrüne Tanne oder Fichte symbolisiert das Leben in der dunklen, meist weißen Jahreszeit. Nur sind Nadelbäume an der Ostsee rar. Ganz besonders gilt dies für die Heide- und Dünenlandschaft der Insel Hiddensee. Und in den kleinen Wäldern unterhalb des Leuchtturms am Dornbusch herrschen Laubbäume vor.
Aber Weihnachten ohne Baum?
Die Inselbewohner wussten, wie man aus der Not eine Tugend macht, und so erfanden die Hiddenseer den Bügelbaum.
Aus zuvor eingeweichten Weidenästen formte man mehrere verschieden große Ringe und steckte diese in Löcher, die in den auf einem Standkreuz befestigten Stiel gebohrt wurden. Dann wurde das kugelförmige Grundgerüst mit Buchsbaum, Wacholder oder Seidenpapier umwickelt. Außen an die "Bügel" genannten Bogen steckte man meist acht Kerzen. Dazwischen hingen an Schnüren selbstgefertigter Schmuck und Leckereien wie Nüsse, kleine Äpfel, Lebkuchen und Plätzchen. Naschen war erlaubt. An der Spitze strahlte ein Lebkuchenstern oder ein gefalteter Goldstern. Je nach Größe kann der Bügelbaum Tisch- oder Raumschmuck sein.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts verlor die aus der Not geborene Tradition des Bügelbaums an Bedeutung, und auch auf Hiddensee gibt es zum Fest Tannen und Fichten zu kaufen. Alte Bügelbäume werden lange Jahre nur von Museen bewahrt und gezeigt. Doch seit einigen Jahren ist der alte Brauch wieder lebendig. Auf Hiddensee haben viele Einheimische einen Bügelbaum im Haus. Kinder basteln sie in Schule oder Insel-Kita. Vor dem Henni-Lehmann-Haus und in vielen Gärten sorgen vom inzwischen pensionierten Inselschlosser gefertigte Bügelbäume aus Metall in der Adventszeit für stimmungsvolle Ortsbilder.