Maritimer Industrie- und Gewerbepark Volkswerft
Standortentwicklungskonzept für das Gelände der Volkswerft Stralsund
Über den Werftstandort Stralsund
Über viele Jahrhunderte wurde die Geschichte der Hansestadt Stralsund neben dem Handel auch durch die maritime Wirtschaft maßgeblich bestimmt. Schon in der Hansezeit (1421) verzeichnete das Stadtbuch dreizehn Werften. Der Schiffbau zieht sich strukturbestimmend durch die Geschichte der Hansestadt Stralsund bis in die heutige Zeit.
Diese Entwicklung war nicht immer einfach, war von Auf und Ab geprägt und spiegelt sich auch im vielfachen Eigentümerwechsel wieder. Von 1945 bis 2022 hatte die Werft acht verschiedene Eigentümer (Volkswerft, Deutsche Maschinen- und Schiffbau AG Rostock und Treuhand, Bremer Vulkan und Treuhand, A. P. Møller-Mærsk, Hegemann-
Gruppe, P+S-Werften, Nordic Yards und MV Werften). Zahlreiche Unterstützungs- und Begleitmaßnahmen wurden in den letzten 30 Jahren von Bund und Land getragen und finanziert. Private und öffentliche Mittel wurden eingesetzt, um den maritimen Standort zu erhalten und die Arbeitsplätze im Schiffbau zu sichern. Neben den vielschichtigen Problemen gab es auch erfreuliche Ereignisse in dieser Zeit. Eine große Anzahl von modernen Schiffen verließ die Stralsunder Werft, zuletzt am 10. Juli 2021 die „Crystal Endeavor“.
Synergien: Entwicklung der maritimen Industrie
In unmittelbarer Nähe zur Werft siedelten sich weitere maritim geprägte Industriebetriebe an, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt voranbrachten. Mit ihren innovativen Ideen und strategischem Weitblick haben sie neue Betätigungsfelder besetzt, die wirtschaftliche Schwankungen in der maritimen Wirtschaft ausgleichen konnten. Stellvertretend genannt sind an dieser Stelle die Unternehmen Ostseestaal GmbH, Ampereship GmbH, Modul- und Formbau GmbH sowie die Ostsee-Strahl GmbH.
Auf Grund der positiven Entwicklung dieser und anderer Unternehmen wurden hochwertige Industriearbeitsplätze geschaffen und innovative marktfähige Produkte entwickelt und hergestellt. Der Anteil an Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe (Stahlver- und -bearbeitung) konnte so weiter ausgebaut werden.
Nachhaltige Perspektive: Flächenerwerb durch die Hansestadt Stralsund
Aufgrund der Insolvenz der MV Werften wurden und werden für das Werftgelände Nutzer gesucht, die in Stralsund wirtschaftlich tätig werden wollen.
Hierzu wurde von der Hansestadt ein Standortentwicklungskonzept erarbeitet, das den Umbau zu einem einheitlich betriebenen maritimen Industrie- und Gewerbepark als maritimes Cluster vorsieht.
Die Hansestadt Stralsund hat Grund und Immobilien einschließlich des beweglichen Anlagevermögens erworben, um den Standort nachhaltig weiter zu entwickeln.
Durch ihr Engagement möchte die Hansestadt Stralsund selbst Verantwortung für die weitere städtebauliche Transformation übernehmen und die wirtschaftliche Entwicklung gestalten. Ziel ist, den dringend notwendigen und tiefgreifenden Gestaltungsprozess nicht nur zu begleiten, sondern maßgeblich mit weiteren Partnern zu führen und zu steuern. Zudem können durch den Flächenerwerb weitere, bereits definierte Handlungsempfehlungen des beschlossenen Wirtschaftskonzeptes der Hansestadt Stralsund umgesetzt werden.
Projektziele
Die wichtigsten Ziele für die Umsetzung des Standortentwicklungskonzeptes sind:
- Die Entwicklung der Flächen des Werftgeländes zu einem maritimen Gewerbe- und Industriepark, vorrangig für Firmen der maritimen Wirtschaft.
- Konzentrierung der maritimen Wirtschaft. Für die maritim gewerblichen Nutzungen steht im maritimen Gewerbe- und Industriepark mit den räumlichen Ergänzungen des Südhafens und des Frankenhafens zukünftig ein ca. 2 km langer durchgehender Uferabschnitt zur Verfügung, der infrastrukturell gut erschlossen (Straße, Eisenbahn, Bundeswasserstraße) und planungsrechtlich als Industriegebiet gesichert ist.
Die räumliche Konzentration ermöglicht perspektivisch die städtebauliche Entwicklung der altstadtnahen Hafenflächen für hochwertige Dienstleis- tungs- und Büroflächen bzw. für gemischte Nutzungen. - Förderung der maritimen Wirtschaft. Ziel ist die Ansiedlung unterschiedlicher Unternehmen der maritimen Wirtschaft mit einer breiten Vielfalt an Geschäftsfeldern, die im Idealfall voneinander partizipieren können (B2B), aber nicht zwingend müssen. Das Angebot ist sowohl an namhafte und langfristig agierende Unternehmen aus dem Mittelstand wie auch Gründer und Start- Ups gerichtet. Hier sind z.B. Schiffsreparaturen und -neubauten, Schiffsrecycling, Hausbootproduktion und Produktentwicklungen auch außerhalb der maritimen Wirtschaft möglich.
Mit der Entwicklung des maritimen Clusters sollen die vorhandenen Zulie- ferbetriebe gesichert, bestehende Wertschöpfungsketten weiter ausgebaut bzw. neue geschaffen und am Standort konzentriert werden (Erhalt der kritischen Masse). Durch die Verpachtung von vollständig ausgerüsteten Fertigungshallen wird die Wettbewerbsfähigkeit der örtlichen Betriebe gestärkt, indem die Investitionskosten reduziert, technische Infrastruktur gemeinsam genutzt und die Fertigungsgemeinkosten durch eine optimale und flexible Nutzung der Fertigungsanlagen gesenkt werden. - Zukunftssicherung. Die Hansestadt Stralsund hat die einmalige Chance, mit dem maritimen Kompetenz-Cluster innovativen und zukunftsorientierten Unternehmen ein außerordentliches Standortangebot zu machen. Durch eine gezielte Aus- und Weiterbildung sowie die standortspezifische Förderung von Innovation und Start-Ups wird die Zukunftssicherung zu einem starken Standortvorteil. Strukturbestimmende Wirtschaftsbereiche können u.a. Offshore-Windparks, integrierte Konzepte zur Energiegewinnung, moderne Antriebs- und Steuerungssysteme sowie Wasserstoff-Cluster sein.
- Sicherung der städtischen Handlungsfähigkeit. Mit dem Erwerb der Flächen seitens der Stadt kann verhindert werden, dass das große Areal durch Zersplitterung als industrieller Großstandort aufgegeben oder durch nur ein Unternehmen blockiert wird und die Stadt so den Zugriff auf die weitere Entwicklung des Standortes verliert. Nach den schmerzhaften Erfahrungen und der andauernden Unsicherheit der letzten Jahre ist für die Hansestadt Stralsund deutlich geworden, dass nur ein breit aufgestelltes maritimes Cluster konjunkturellen Schwankungen widerstehen und Ausfälle einzelner Betriebe verkraften kann.
- Sicherung der Beschäftigung. Die wirtschaftliche Entwicklung des Standorts soll wesentlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze dienen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind kurz-, mittel- und langfristig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen (Förderung von Ausbildung, Forschung und Innovation / Start-Ups). Es gilt, eine höchstmögliche Anzahl von krisensicheren, anspruchsvollen, hochqualifizierten und entsprechend adäquat bezahlten Arbeitsplätze zu schaffen, was seitens der Stadt z.B. durch die Verknüpfung von Miet-/Pachtverträgen mit der Verpflichtung zur Schaffung bestimmter Arbeitsplatzzahlen abgesichert werden kann.
- Sicherung des öffentlichen Haushalts. Die Realisierung des Entwicklungs- konzeptes führt auch zur Verbesserung der zukünftigen Haushaltssituation der Hansestadt Stralsund durch die langfristigen Einnahmen aus Vermietung / Verpachtungen sowie aus Steuereinnahmen.
- Perspektive als Grüner Gewerbe- und Industriepark. Die SWS Stadtwerke Stralsund GmbH realisieren aktuell die Übernahme der BHKWs sowie den Umbau in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung des Standorts mittels erneuerbarer Energien z.B. Photovoltaik, Blockheizkraftwerke, Windenergieanlagen, Wärmepumpen, Sektorenkopplung usw. Ziel ist die Schaffung eines sogenannten Grünen Gewerbe- und Industrieparks. Die Öffnung der bisherigen Insellösung des Werftgeländes ermöglicht nennenswerte Effizienzgewinne (z.B. Verbund mit angrenzenden Industrieflächen Franzenshöhe, Nutzung der Prozess(ab)wärme der dortigen Unternehmen).
- Die Lage im Ostseeraum sowie die schnelle Erreichbarkeit vieler europäischer Länder macht diesen Gewerbe- und Industriepark für eine Vielzahl von Unternehmen für eine Ansiedlung interessant. Entsprechende PR-Aktivitäten sind mit dem Imagefilm von Invest in MV, der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern, zum Standort zielgerichtet begonnen worden. Eine proaktive Akquise zielt darauf, namhafte Unternehmen europaweit auf den Standort, seine Vorzüge und vorhandene Möglichkeiten aufmerksam zu machen und zu binden. Die Argumentation für die Entwicklung und Vermarktung dieses Standortes wird aus der Sicht der relevanten Zielgruppe bzw. der wirtschaftlichen Akteure erfolgen.
- Die Hansestadt Stralsund hat sich für die Fortführung einer Tradition die Rechte am Namen und an dem bekannten Logo der Volkswerft gesichert.
Ausblick
Die Hansestadt als langfristig orientierter, auf eine nachhaltige und zukunftsfähige Gewerbeentwicklung setzender Flächeneigentümer ist – wie die langjährige Praxis der städtischen Wirtschaftsförderung zeigt – nicht auf kurzfristige Maximierung des Grund- stücksertrags ausgerichtet. Durch den Erwerb und die anschließende Vermietung / Verpachtung der Flächen kann das Gelände nachhaltig und sinnvoll entwickelt werden. Schon aufgrund der baulichen Struktur der Volkswerft ist auch zukünftig ein einheitlicher Betrieb des gesamten Geländes sicherzustellen (z.B. zentrale Energie- und Wärmeversorgung, Logistik, Wachschutz).
Eine dauerhafte Perspektive kann nur durch einen auf langfristige Standortentwicklung orientierten Flächeneigentümer wie die Stadt gewährleistet werden.
Die Werft als Großstandort war dabei aufgrund der hohen laufenden Standortskosten bisher nur für Großbetriebe geeignet. Daraus resultiert eine hohe Konjunkturanfälligkeit, wie die wechselvolle Entwicklung der letzten 30 Jahre mit drei Insolvenzen und zahlreichen Eigentümerwechseln gezeigt hat. Durch ein zentrales Standortmanage- ment als maritimer Industrie- und Gewerbepark kann der Standort für verschiedene Fertigungsbetriebe einschl. klein- und mittelständische Unternehmen KMU (z.B. Zulieferer, Reparatur- und Ausrüstungsbetriebe) geöffnet und damit die lokale Abhängigkeit von einem Großbetrieb vermieden werden. Die verschiedenen Betriebe teilen sich die zentrale Infrastruktur. Die flexible Belegung der Hallen ermöglicht eine hohe Arbeitsplatzdichte.
Die Möglichkeit zur (auftragsbezogenen) Pacht von Fertigungshallen mit der gemeinsamen Nutzung von Know-How (Ausbildung) und Ausstattung (Schiffstransport- und -hebeanlage, Werksschutz) verbessert zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, indem die Anlaufkosten reduziert und die Fertigungskosten durch die flexible Nutzung der Anlagen (Hallen und Ausrüstung) gesenkt werden. Diese bereits im Konzept angelegten Synergieeffekte sollen strategisch durch projektweise Einbindung weiterer Partner (Projektüberlassung oder Lohnfertigung) weiterentwickelt und gefördert werden.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts hängt langfristig nicht zuletzt auch von der Innovationsfähigkeit der örtlichen Wirtschaft ab. Die Stadt wird daher Start-Ups befristet zu günstigen Konditionen ausgerüstete Werkstätten und Büros auf dem Werftareal zur Verfügung stellen. Die Entwicklung und Erprobung moderner Antriebs- und Steuerungssysteme wurde bereits als einer der Schwerpunkte identifiziert, der in Kooperation mit der örtlichen Hochschule (HOST) sowie bei Einbindung in die HyExperts-Modellregion Stralsund-Rügen gefördert werden wird.
Neben den am Standort verfügbaren Anlagen stellt das räumlich konzentrierte Know-How eine der wesentlichen Standortfaktoren des maritimen Clusters dar. Die Qualität wird durch die gezielte Ansiedlung eines Ausbildungsbetriebes langfristig gestärkt.
Die Volkswerft ist ein ausgeprägter Identifikationspunkt der Stralsunder Bevölkerung und wird als solcher sichtbar erhalten.
In den vergangenen Monaten wurden Gespräche mit vielen ansiedlungswilligen Unternehmen geführt, die unter den o.g. Bedingungen hohes Interesse an einer Anmietung von Hallen und Flächen zeigen. Die Gespräche sind bereits weit fortgeschritten. Entsprechende Nutzungs- und Pachtverträge sind bereits unterzeichnet bzw. werden aktuell verhandelt.
Wesentlicher Bestandteil dieser Vertragsverhandlungen mit den zukünftigen Nutzern/Mietern ist der Nachweis der im Industriepark zu schaffenden Arbeitsplätze.
Hier eine Übersicht der Branchen:
- Schiffsreparatur und Schiffsneubau
- Wasserfahrzeuge mit alternativen Antrieben
- Großmotorenproduktion
- Fahrzeugmontage
- Schiffsdieseltechnik
- Schiffsrecycling
- Vermessungsdienstleistungen
- Industriebau- und -montagen
Die aktuellen Gesprächsergebnisse machen deutlich, dass ein großer Bedarf an geeigneten Flächen und infrastrukturellem Angebot besteht.
Stand: August 2024